Mittwoch, 14. Juli 2010

Burkaverbot - und dann?

Jetzt also auch die Franzosen. Burkaverbot, bei Verstoss nachsitzen in Staatsbürgerkunde und Strafe zahlen. Karnevalsmasken sind glücklicherweise ausgenommen. Soll es ein solches Vermummungsverbot für Fortgeschrittene auch in Deutschland geben?

Aus staatspolizeilichen Gründen natürlich ja. Ich gehöre zu der Generation, die am Wackersdorfer Bauzaun noch mit CS-Gas aus den straußschen Polizeipanzern besprengt wurde, und schon damals war die Gesichtsvermummung pöniert. Daher könnten Burka-Trägerinnen und -träger (soviel pc muss sein) auch heutzutage nicht gegen Laufzeitverlängerungen vor den Atomstrom-Kathedralen protestieren, auch wenn die ja mit den charakteristischen Kuppeln verdächtig nach Moscheen aussehen - aber die Atomspaltung entstammt eindeutig der christlich-jüdischen Kulturtradition des Abendlandes.

Im Ernst: Was zählt mehr, die Freiheit, anzuziehen und zu glauben was man will, oder das vermutete Unterdrückungsargument? Oder gar die Beleidigung des aufgeklärten Geistes, wenn ein solches Symbol der religiösen Begrenztheit um die Ecke kommt? Da würden mir allerdings noch ganz andere Sachen vorher einfallen, ohne die dahinterstehende gesellschaftliche (!) Problematik in manchen Zuwandererfamilien verharmlosen zu wollen. Auch ich fühle mich unbehaglich, wenn die Fremdheit derart kompromisslos demonstriert wird. Trotzdem denke ich, dass die individuelle Freiheit wichtiger ist. Außerhalb von öffentlichen Ämtern sollte jeder und jede anziehen dürfen, was der persönliche Gusto gebietet. Obrigkeitlich erlassene Kleiderordnungen sind mittelalterlich, diesen Schuh sollten sich liberale Gesellschaften nicht anziehen. Aufklärung findet im Kopf statt, egal ob er verhüllt ist, mit Hut oder mit Baseball-Cap oder mit Kopftuch oder mit Glatze oder mit blonden Locken, und sie läßt sich bestimmt nicht herbeiverbieten.

Unbequemer, aber wahrscheinlich viel zielführender wäre es, einmal darüber nachzudenken, ob wir wirklich eine offene Gesellschaft sind, die Zuwanderer begrüßt und integriert. Schafft  nicht unsere in jedem westdeutschen Großstadt-Straßenbild sofort sinnfällig werdende Neigung zur Separierung erst die Räume, in denen Parallelgesellschaften mit ihren manchmal für uns merkwürdigen kulturellen Riten gedeihen können? Fangen wir denn diejenigen auf, die sich von ihrer überkommenen Kultur distanzieren, oder lassen wir sie als dann Fremde in zwei Welten zurück? Haben Sie Freunde "mit Migrationshintergrund"? Ich gebe zu: ich nicht. KollegInnen, das schon. Aber Freunde? Darüber denke ich jetzt mal nach. Sie auch? Vielleicht bringt uns das ja weiter als ein religiöses Vermummungsverbot.

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