Montag, 9. August 2010

Warum humanistische Ausbildungsgänge nötig sind

Je mehr Praxisfelder sich der HVD erschließt, umso spürbarer wird für uns das Bedürfnis nach einer spezifisch humanistischen Ausbildung der Mitarbeitenden. Auch bei uns in Nürnberg wird das immer drängender. Das betrifft nahezu alle Bereiche, von den Besonderheiten unserer humanistischen Konzeption von Pädagogik bis hin zu den Fragen der weltanschaulichen Praxis im engeren Sinne.

Der HVD Berlin ist - auch wegen seiner Größe - bereits in der Lage, hier eigene Angebote machen, in der LehrerInnenausbildung, der Ausbildung von Humanistischen BeraterInnen und jüngst auch in der ErzieherInnenausbildung. In Bayern liegen die Dinge aber leider anders, auch weil die Refinanzierung solcher öffentlicher Bildungsangebote hierzulande sehr viel schlechter ist. (Wie immer aber nicht für die Kirchen, die kriegen es reichlich, mehr und leichter als alle anderen Träger.)

Was hätten wir denn gerne?

Für die ErzieherInnen eine Humanistische Fachakademie für Sozialpädagogik, die einen weltlich orientierten Nachwuchs an ErzieherInnen heranbildet. Die meisten dieser Fachakademien sind in Bayern in kirchlicher Hand, entsprechend ist der "Spin", der dort vermittelt wird. Nachdem wir auch von dort immer wieder frisch ausgebildete ErzieherInnen übernehmen, merken wir das laufend. Bei den wenigen verbliebenen staatlichen oder städtischen Fachakademien - in Mittelfranken noch eine einzige - stehen schon die kirchlichen Konzerne vor der Tür, die sie übernehmen wollen, um so das kirchliche Ausbildungsmonopol perfekt zu machen. Es gibt sogar schon Regierungsbezirke in Bayern, wo der Zugang zum Erzieherberuf nur noch über die Kirche möglich ist. Im Weg steht uns bei der Eröffnung einer solchen Einrichtung, die zweifellos rege nachgefragt würde, vor allem die zu erwartende Unterfinanzierung. Ohne ein kräftiges Schulgeld ist das nicht zu machen, und wer will das schon zahlen, wenn's anderswo umsonst geht. Da wird die kirchliche Privilegierung zum echten Wettbewerbsvorteil, der ohnehin endlich einmal auch EU-Wettbewerbsrechtlich überprüft werden sollte.

Für die Ausblidung der LehrerInnen für das - in Bayern mittlerweile ordentliche - Schulfach Humanistische Lebenskunde (HLK) benötigen wir selbstverständlich eine universitäre Ausbildung im Inhalt und der Didaktik, ähnlich wie beim Religionsunterricht. HLK darf schließlich qualitativ nicht hinter dem Religionsunterricht zurückstehen. Ohnehin erfordert die Unterrichtung des Faches letztendlich mindestens ein Staatsexamen, das nur von einer solchen Institution abgenommen werden kann. Beim Islam-Unterricht, der jetzt allenorten eingerichtet wird, ist es schließlich auch so, und warum sollten wir uns mit weniger begnügen.

Bei der Lehrerausbildung kann es aber nicht sein Bewenden haben. Wir benötigen auch einen Lehr- und Forschungszweig "Humanistik", der sich mit den Inhalten, der Geschichte und der Praxis des weltlichen Humanismus beschäftigt. Zu tun gibt es da jede Menge, um die sowohl wissenschaftliche Unterfütterung unserer Humanismus-Konzeption wie auch die Reflexion der humanistischen Praxis zu gewährleisten. Von den vielen historischen, soziologischen, politologischen und kulturellen Themenstellungen eines solchen Faches ganz zu schweigen. Auch die Ausbildung Humanistischer BeraterInnen (im Krankenhaus, in den Gefängnissen, in der Konfliktberatung, vielleicht auch bei der Bundeswehr) erfordert ein solches, qualitativ hochstehendes, eben universitäres Ausbildungsangebot.

Natürlich setzt ein derartiges Studienangebot geeignete Praxisfelder und Arbeitsplätze für die AbsolventInnen voraus. Das ist zur Zeit wegen der unzureichenden Verbreitung der humanistischen Weltanschauungspflege wie des praktischen Humanismus überhaupt noch eine Baustelle. Zumimdest aber zeigt sich darin einmal mehr, dass die theoretische Weiterentwicklung des weltlichen Humanismus, seine praktische Umsetzung und seine politische Verankerung aufs Engste zusammenhängen. Nur wenn diese drei Elemente konzeptionell zusammenkommen und strategisch bearbeitet werden, gibt es eine realistische Chance zur Emanzipation nicht-religiöser Menschen bei uns.

Für mich gibt es keinen Zweifel: Solange die Ausbildung der PfarrerInnen, KirchenjuristInnen, KirchenjournalistInnen und ReligionslehrerInnen an den öffentlichen Theologischen Fakultäten bzw. Lehrstühlen vom Steuerzahler bezahlt wird, solange ist auch die Finanzierung einer alternativen humanistischen Ausbildung durch die öffentliche Hand zu übernehmen. Wer will, dass darauf verzichtet wird, spielt das Spiel der Kirchen - denn damit würde die eigene Schlechterstellung sanktioniert und letztlich die Fortdauer der Diskriminierung nicht-religiöser Menschen gesichert.

Ob diese Ausbildungen an einer öffentlich oder vom HVD privat getragenen Institution geschehen, ist zunächst nachrangig. Für die Integration in die allgemeinen Universitäten spricht allerdings die damit dokumentierte Gleichrangigkeit mit anderen Fächern und Forschungszweigen. Aber Hauptsache, es geht damit los. Das würde einen großen Schritt nach vorne bedeuten, den Humanimus nach unserer Konzeption erheblich stärken und die Pflege unserer Weltanschauung auf ein neues Niveau heben.

Samstag, 7. August 2010

Humanistische Normalität

Der Fürther Stadtrat hat dem HVD-Nürnberg die Trägerschaft für eine neue Kinderkrippe zugesprochen. Einstimmig. Ein Reisenfortschritt, wenn man bedenkt, dass unser erstes Auftreten in der Stadt 2003 noch einen wirklichen Glaubenskrieg ausgelöst hat, mit einer tumultuösen Stadtratssitzung und Stadträten, die sich in wirklich unflätiger und beleidigender Weise geäußert haben ("aus einer solchen Weltanschauung entstehen Figuren wie Hitler, Stalin und Pol Pot" aus der CSU - "das ist für mich eine Entscheidung auf einer Linie mit Abtreibung und Todesstrafe" aus der SPD). Hinterher gab's ne knappe Mehrheit. Aber mei - tempi passati, Schwamm drüber.

Inzwischen ist der HVD in Fürth fest etabliert, außerdem hat er dort die erste weltlich-humanistische Grundschule Deutschlands eröffnet und die symbolträchtige Quelle-Betriebskita vor der Schließung bewahrt. Wie man sieht, fehlt's auch an politischer Unterstützung quer durch die Parteien nicht mehr. Unsere kontinuierliche und seriöse Arbeit hat sich ausgezahlt. In wenigen Jahren ist der HVD zum größten privaten Träger von Kindertagesstätten in der Stadt geworden, und im Krippenbereich liegt er unangefochten auf Platz eins aller Träger - also vor der Stadt und den Kirchen, trotz aller normaler Konkurrenz auf dem "Markt". So gesehen, ist durch die HVD-Einrichtungen der Humanismus in Fürth zur Normalität geworden. Gut so! Und jetzt noch der Rest von Bayern...